Selbstmedikation und Selbstbehandlung

Unter Selbstmedikation versteht man die Selbstbehandlung mit rezeptfreien Arzneimitteln, Nahrungsergänzungen und anderen Heilmitteln, die in Apotheken, Reformhäusern oder Drogerien erhältlich sind. Die Entscheidung für diese Mittel und ihre Einnahme geschieht in Eigenregie des Patienten. Das kann zum Beispiel eine mehrwöchige Kur mit Kamillentee bei Magenbeschwerden, die Einnahme von B-Vitaminen und Magnesium bei einem Burnout oder die abendliche Einnahme von Baldriantropfen gegen Schlafstörungen sein. Eine Selbstmedikation geschieht vor allem mit Präparaten aus den Bereichen Pflanzenheilkunde, Homöopathie und Orthomolekulare Medizin (Vitamine und Mineralstoffe).

Unter einer Selbstbehandlung im engeren Sinne versteht man manuelle Therapien, die der Patient gefahrlos bei sich selbst anwenden kann. Typische Selbstbehandlungen sind Kneipp´sche Güsse, Voll- oder Teilbäder mit pflanzlichen oder mineralischen Zusätzen, Faszienmassagen, Akupressur, Dehnungsübungen, Techniken der Atemtherapie und ähnliches.

Risiken von Selbstbehandlungen

Gesundheitliche Beschwerden, die auf den ersten Blick harmlos aussehen und den Anschein erwecken, man könne sie mit Hausmitteln heilen, können durchaus Symptome schwerer oder auch lebensbedrohlicher Erkrankungen sein und deshalb von medizinischen Laien falsch interpretiert werden: Kopfschmerzen sind zwar in nur äußerst seltenen Fällen ein Hinweis auf einen Hirntumor, und eine chronische Verstopfung rührt nicht immer von Gallensteinen her. Aber möglich wäre es. Manche Blasenentzündung kann schon die Nieren in Mitleidenschaft gezogen haben, ohne dass der Patient es merkt. Deshalb gilt grundsätzlich:

Jedes Krankheitssymptom muss vor einer Selbstmedikation immer vom Hausarzt und gegebenenfalls auch von einem Facharzt auf die Frage hin abgeklärt werden: Handelt es sich nur um eine relativ harmlose funktionelle Störung oder steht eine manifeste Organerkrankung dahinter? Diese muss von einem medizinisch ausgebildeten Therapeuten behandelt werden, um keine Folgeschäden zu hinterlassen oder womöglich das Leben des Patienten zu gefährden.

Es gibt viele schwere Erkrankungen, die für eine Selbstbehandlung nicht geeignet sind und bei denen auch die Naturheilkunde ihre Grenzen hat. Dazu zählen vor allem Krebserkrankungen und alle Infektionskrankheiten, die über einen banalen Schnupfen, Husten oder leichten grippalen Infekt hinausgehen. Tumorerkrankungen und schwere Infektionen gehören immer und ausschließlich in die Hand eines Arztes und sollten auf keinen Fall vom Patienten selber behandelt werden!

„Dr. Google“ konsultieren? Vorsicht vor Selbstdiagnosen!

Heute können sich Patienten auf zahlreichen medizinischen Informationsseiten im Internet darüber kundig machen, auf welche Erkrankung ihre Symptome höchstwahrscheinlich hinweisen. Und oft findet man dort sogar die richtigen Antworten. Dennoch ist Vorsicht geboten: Denn es sind oft nebensächliche Beobachtungen, denen der Patient wenig Bedeutung beimisst, die einem ausgebildeten Arzt aber den entscheidenden Hinweis auf die tatsächlich vorliegende Erkrankung und die korrekte, indikationsspezifische Therapie geben. So kann ein Laie bei Gelenkschmerzen oftmals nicht beurteilen, ob es sich um eine Arthritis oder um eine Arthrose handelt. Auch die Unterscheidung zwischen stressbedingten funktionellen Herzbeschwerden und organisch bedingten Herzerkrankungen ist nur dem Internisten oder Kardiologen möglich. Und mancher Husten, der wie eine Bronchitis aussieht, ist in Wirklichkeit bereits eine Lungenentzündung. Deshalb ist von Selbstdiagnosen grundsätzlich abzuraten und der Gang zum Arzt unbedingt erforderlich.

Wann ist eine Selbstbehandlung sinnvoll?

Eine Selbstbehandlung ist dann sinnvoll, wenn die Beschwerden vom Arzt abgeklärt wurden und sich als funktionell und weitgehend harmlos herausgestellt haben. Aber durchaus auch dann, wenn die Diagnose einer Organerkrankung feststeht, der Patient schulmedizinisch behandelt wird, aber zusätzlich und in Absprache mit seinem Behandler auch die Möglichkeiten der Natur- und Erfahrungsheilkunde ausschöpfen möchte. Es ist immer sehr zu begrüßen, wenn Menschen sich intensiv für ihre Krankheit interessieren, sich möglichst viel Wissen über sie aneignen und sich Gedanken machen, was sie zusätzlich selbst tun können, um den Heilungsprozess zu beschleunigen bzw. vorbeugend eine Erkrankung zu verhindern, zu der es vielleicht eine genetische Veranlagung gibt. Oder dem Rückfall in eine bereits einmal durchgemachte Erkrankung vorbeugen möchten. Die Erfahrung lehrt: Menschen, die ihren Heilungsprozess nicht nur dem Arzt und den verordneten Medikamenten überlassen, sondern selber Verantwortung übernehmen und aktiv mitarbeiten, indem sie verordnete Therapien gewissenhaft durchführen und alle sinnvollen Ergänzungstherapien aus Bereichen wie Pflanzenheilkunde, Ernährungs- und orthomolekularer Medizin, Homöopathie, Wasseranwendungen, Gymnastik etc. zusätzlich nutzen, genesen nicht nur schneller, sondern tragen auch viel dazu bei, nachhaltig gesund zu bleiben oder zumindest leichter mit einer altersbedingt vielleicht nicht mehr heilbaren Krankheit zu leben.

Den Erfahrungsschatz der Volksmedizin nutzen

In den vergangenen Jahrhunderten bis etwa zur Zeit des II. Weltkrieges gab es keine derart flächendeckende und professionelle medizinische Versorgung der breiten Bevölkerung wie es heute der Fall ist. Deshalb griff man meist zuerst zu den bewährten Hausmitteln, die in einer Familie oft von der Mutter an die Tochter weitergegeben wurden. Es waren insbesondere die Frauen, die in Kräuterheilkunde sehr bewandert waren, stets den richtigen Tee kannten und wussten, wie man kalte oder warme Umschläge bereitet, die Linderung bringen und den Heilungsprozess beschleunigen. Auch heute handelt es sich bei den meisten Gesundheitsbeschwerden um den großen Bereich der funktionellen Störungen und kleinen Alltagszipperlein, die das Wohlbefinden beeinträchtigen, ohne dass es sich dabei jedes Mal um schwerwiegende Krankheiten handelt. Um diese Zipperlein zu kurieren, braucht es nicht immer ein stark wirkendes schulmedizinisches Medikament. Kamillenteebeutel bei geschwollenen Augenlidern, heißes Bier mit Zimt und geschlagenen Eiern bei Bronchitis, Magnesiumöl-Einreibungen bei Muskelkater, starker Kaffee mit dem Saft einer ganzen Zitrone bei Kopfschmerzen infolge von Übermüdung, kalte Armwickel bei Fieber, Ingwertee gegen Reisekrankheit, temperaturansteigende Fußbäder bei Blasenentzündung oder Nelkenöl zur Warzenbehandlung: Volksmedizin und Erfahrungsheilkunde kennen viele Hausmittel und Gesundheitstipps, die vom Patienten gefahrlos angewendet werden können, um funktionelle Störungen, kosmetische Probleme und Alltagsbeschwerden erfolgreich zu behandeln.

Alternativmedizin liegt im Trend

Mittel und Maßnahmen aus dem Bereich der Selbstbehandlung haben viele Vorteile:

  • Sie sind meistens „natürlich“, das heißt, sie arbeiten mit Heilpflanzen, Rezepten aus der Küche oder Wasseranwendungen.
  • Sie sind oftmals über Jahrzehnte, manchmal sogar über Jahrhunderte erprobt und bewährt, stammen also aus dem Bereich der sog. Erfahrungsheilkunde.
  • Sie sind sicher und einfach in der Anwendung.
  • Sie sind frei oder zumindest sehr arm an Nebenwirkungen.
  • Sie sind überall in Apotheken, Reformhäusern und Drogerien problemlos erhältlich.
  • Sie nehmen dem Patienten das Gefühl der Ohnmacht gegenüber seinen Beschwerden, indem sie ihn in die Lage versetzen, selber aktiv zu werden und wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Die meisten Heilmittel und Heilanwendungen der Selbstbehandlung stammen aus dem Bereich der Naturheilkunde, die sich bei Patienten seit Jahrzehnten einer zunehmenden Beliebtheit erfreut. Mehr als 600 Millionen Packungen von nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten gehen laut der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände Jahr für Jahr über den Ladentisch von Apotheken. Dazu kommen Naturheilmittel, die in Reformhäusern, Drogerien, Bioläden und Supermärkten verkauft werden. Menschen, die alternativmedizinische Methoden schätzen, haben oft ein höheres Gesundheitsbewusstsein. Das ist eine positive Entwicklung, die nicht nur dem einzelnen Patienten nützt, sondern auch der ständigen Kostensteigerung im Gesundheitswesen entgegenwirkt.

Die Erfahrungsheilkunde birgt viele Schätze. Entdecken Sie sie!

© Margret Rupprecht, Medizinjournalistin